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Historie

Jahrhunderte lang waren das Rheinland und der Karneval fest in katholischer Hand. Evangelische Kölner flohen vor dem närrischen Treiben an die Nordsee oder ins Sauerland. Denn Karneval, so glaubte man lange, ist bloß oberflächliche Freude, ist Sündigen und Saufen. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit geißelte die Mehrzahl der Protestanten den Karneval als „teuflisches Treiben“. Ein besonders humorloser Vertreter dieser Zunft – Walter Hochstädter – fordert in seiner 1964 verfassten  Anti-Karnevals-Kampfschrift „Harmloser Karneval?“ ein klares Bekenntnis seitens der Protestanten: „Freude an Gottes Gaben, – ja! Karnevalfreuden, - nein!“  Diesbezüglich bedurfte es einer Reformation. Einer Befreiung aus der humorlosen Unterdrückung. Einen Aufbruch in das gelobte Land der Satire und des Lachens. Daher wurde in Köln 1997 etwas gegründet, was im Rheinland eigentlich gar nicht geht: eine protestantische Karnevalssitzung, die PROT’s Sitzung.

Am Anfang standen da vor allem Pfarrer (da sieht man es mal wieder!). Ob sie so ihrer Verkündigung eine bisher fehlende Seite hinzufügen wollten? Ob sie damit auf die in Köln effektivste Form von evangelisch-katholischer Annäherung abgezielt haben? Ob sie einfach nur für sich selber ein Ventil brauchten? Egal, der Erfolg hat ihnen Recht gegeben. Denn das Kölner Kirchenvolk hat offenbar genau so etwas wie die PROT’s Sitzung gebraucht. Frech, fromm, fröhlich, professionell, protestantisch, politisch - so begeistert das Programm Menschen aller Altersgruppen und schafft positive Identität. Die Evangelischen gehen nach Hause und sagen: Ich bin froh, zu dieser lebendigen und selbstkritischen Kirche zu gehören. Und die Katholiken sagen: Ihr habt viel von uns gelernt, und wir wollen euch auch weiterhin fleißig Stoff für eure Sitzung liefern. Das ist gelebte Ökumene!

Pikanterweise fand das Aufgeben der vornehmen protestantischen Zurückhaltung erstmalig (und seitdem immer wieder) in der Kirche statt, an der der ehemalige rheinische Präses und EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock bis 1997 gewirkt hat. Die Ev. Auferstehungskirche in Köln-Bocklemünd eignet sich einfach hervorragend, mit Luftballons und Girlanden geschmückt für zwei Wochenenden den jeweils 400 Jecken pro Abend auf Bierbänken Asyl zu bieten. Auf der Bühne wird seitdem ein jeweils eigenhändig erarbeitetes mehrstündiges Programm geboten, das nicht verleugnet, vom Programm der Stunksitzung inspiriert zu sein. Ob Geld oder Genforschung, ob Seelsorge oder Schönheitswahn, ob Kirchenaustritte oder Kriegstreiber, ob Ehrenamt oder Homoehe, ob Klüngel oder Willy Millowitsch - prot’s-frech ist das Programm stets. Und für die Gäste gibt es als besondere Auszeichnung den „PROT´s-Löffel“ als Orden und als Ermutigung, sich weiterhin einzumischen und mitzuwirken. 

Von Beginn an war klar, dass das Ganze nicht nur aus „Spass an dr Freud“ gemacht wird, sondern auch „för ne jode Zweck“. Die PROT’s Sitzung unterstützt mit dem Reinerlös verschiedene lokale Projekte in Köln: mal den Chorweiler Mittagstisch für Kinder, mal in Not geratene ausländische Studenten, mal den Vringstreff für Obdachlose, mal Projekte der Kölner Jugendarbeit.

Mit der PROT’s Sitzung ist in der Geschichte des Rheinischen Protestantismus damit ein neues Kapitel eröffnet worden: Frei nach dem Motto  „Selig sind, die über sich selbst lachen können. Sie werden immer wieder ihren Spaß haben“ dürfen Evangelische nun hochoffiziell während der fünften Jahreszeit lustig sein. Damit ist das Feld des närrischen Treibens nicht allein den katholischen Schwestern und Brüdern überlassen. Und dem Ganzen fehlt dabei nicht der gebotene Ernst und protestantische Tiefe. Wie sagt Wolfram Behmenburg, Mitbegründer und einer der Hauptakteure bei der PROT’s Sitzung, nicht so treffend: „Evangelisch ist lustig mit Anspruch.“  

Mehr Lust auf PROT’s Sitzung?

-   Die Rheinische Karnevalstheologie, hg. von D. Prößdorf und H. Schroeter-Wittke, dokumentiert u.a. die schönsten Beiträge der PROT’s-Sitzungen 1997-2001

-   „Die lustigen Protestanten“ in Chrismon 2/07 Siehe: 1 2 PDF

-   „Die PROT’s-Sitzung. Protestantischer Kirchen-Karneval in Köln“ in Günter Ortmann (Hg.): Dreimol vun Hätze Kölle Alaaf, S. 400

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